Beschneidung von Knaben. Diskussion in Kassel

 

In Kassel war am 4.11.2012 zu einer Diskussion über die Beschneidung von Jungen aus religiösen Motiven in die Lutherkirche eingeladen. Auf dem Podium diskutierten fünf Männer über Argumente Pro und Contra:

Alexander Hasgall, ein jüdischer Publizist und Historiker, vertrat die Ansicht, dass die Beschneidung ein nicht veränderbares Ritual im Judentum sei. Es sei in der Thora vorgeschrieben, dass jeder Knabe am achten Tag beschnitten werden muss.

Selcuk Dogruer, der als islamischer Theologe vorgestellt wurde, begründete eine Notwendigkeit der Beschneidung mit einer Vorschrift der Abrahamitischen Tradition, die Voraussetzung für die Vollkommenheit des Körpers sei. Neben der Beschneidung seien auch das Abrasieren der Schamhaare, das Entfernen der Achselhaare, das Kurzschneiden der Barthaare und das Schneiden der Finger- und Fußnägel vorgeschrieben.

Prof. Dr. Rainer Kessler, Evangelischer Theologe, führte aus, dass das Christentum von Anfang an keine Beschneidung vorgeschrieben hat, sie aber auch nicht bekämpfte. Für ihn ist die religiöse Identität wichtiger als die körperliche Unversehrtheit eines Kindes.

Der Kasseler Kinderchirurg Dr. Peter Illing erklärte, dass eine Beschneidung nur dann von Ärzten vorgenommen werden dürfe, wenn eine medizinische Indikation vorliege. Eine Beschneidung aus religiös motiviertem Wunsch lehnte er ab. Er betonte, dass eine Beschneidung nur unter Vollnarkose durchgeführt würde und zusätzlich eine lokale Betäubung gegeben würde, die Schmerzen beim Nachlassen der Vollnarkose unterdrücken würde. Er widersprach nachdrücklich der Behauptung, dass neugeborene Kinder kein Schmerzempfinden besitzen würden. Deshalb sei eine Beschneidung ohne Narkose nicht zulässig.

Rolf Stöckel von der Deutschen Kinderhilfe stellte fest, dass jede medizinisch nicht begründete Beschneidung eine Körperverletzung sei. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit wiege schwerer als religiöse Vorschriften.

 

An der Diskussion fiel auf, dass die Vertreter von Judentum und Islam kompromisslos darauf beharrten, dass eine Ausübung ihrer Religionen nur dann möglich sei, wenn auch die Beschneidung von Jungen beibehalten würde.

Als die Diskussion auch für das Publikum geöffnet wurde, wurden teilweise sehr emotional die gegenseitigen Argumente vorgetragen. Befürworter der Beschneidung beharrten darauf, dass für sie das Ritual ein wichtiger Teil der Ausübung ihrer Religion sei. Kritiker der Beschneidung betonten, dass die Beschneidung ein extrem schmerzhafter und nicht irreversibler Eingriff in die Unversehrtheit von Jungen sei.

Nicht beantwortet haben die Vertreter der Juden und Moslems die folgenden Fragen aus dem Publikum:
Warum gibt es einen Ritus zur Aufnahme der Jungen in die religiöse Gemeinschaft der Gläubigen, nicht aber für die Mädchen? Ist dem Gott der Juden und Moslems eine Frau nicht genau so viel wert wie ein Mann?
Warum können in diesen Religionen keine anderen Riten eingeführt werden, die nicht schmerzhaft den Körper irreparabel schädigen? Christliche Religionen kennen hier Taufe, Kommunion und Konfirmation. In der Bibel wird auch die Steinigung von Ehebrecherinnen als Strafe verlangt, diese ist heute längst überwunden. Genauso kann die Beschneidung überwunden werden.

Ein Pressebericht über die Veranstaltung (mit Leserkommentaren) hier: HNA

Dazu ist zu festzustellen:

UN-Kinderrechtskonvention, Artikel 19, lautet:
(1) Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial- und Bildungsmaßnahmen, um das Kind vor jeder Form körperlicher oder geistiger Gewaltanwendung, Schadenzufügung oder Misshandlung, vor Verwahrlosung oder Vernachlässigung, vor schlechter Behandlung oder Ausbeutung einschließlich des sexuellen Missbrauchs zu schützen, solange es sich in der Obhut der Eltern oder eines Elternteils, eines Vormunds oder anderen gesetzlichen Vertreters oder einer anderen Person befindet, die das Kind betreut.
Artikel 24:
(3) Die Vertragsstaaten treffen alle wirksamen und geeigneten Maßnahmen, um überlieferte Bräuche, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind, abzuschaffen.

Grundgesetz Artikel 2:
(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.

Grundgesetz Artikel 3:
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Besonders der Vertreter der Moslems forderte in der Diskussion nachdrücklich Toleranz gegenüber den Befürwortern der Beschneidung ein. Diese Toleranz kann es nicht geben, da die Beschneidung im Widerspruch zur UN-Kinderrechtskonvention steht und der grundgesetzlich garantierten Unverletzlichkeit des Körpers und des Gleichbehandlungsgebots widerspricht. Die Vertreter der Juden und Moslems sind aufzufordern, Toleranz gegenüber den Menschen zu üben, die sich im Sinne der UN- Kinderrechtskonvention und des Grundgesetzes für die Unverletzlichkeit von Kindern einsetzen.

Ein Gesetz, das die Beschneidung von Jungen in Deutschland erlaubt, widerspricht der UN-Kinderrechtskonvention und dem Grundgesetz.
Das Grundgesetz verbietet ungleiche Behandlung von Menschen auf Grund ihres Geschlechts oder ihrer Religion.

Weitere Stimmen gegen die Beschneidung sind hier zu finden: MANNdat